1957 – 1958 / Arnsberger Wald / Justiz
Der Arnsberger Kriegsverbrecherprozess
Zwischen dem 20. und 23. 3.1945 wurden im Sauerland 208 Zwangsarbeiter:innen und 2 Kinder ermordet. Die Aktion ging von dem Führer der SS Division z.V. Hanns Kammler aus. Einziges Ziel war die Ermordung von Zwangsarbeiter:innen, um ihre Anzahl zu verringern. Selbst durch die unmenschliche Gesetzgebung des NS oder entsprechende Anordnungen und Befehle war sie nicht gedeckt.
Als die Zwangsarbeiter:innen zum Ende des Krieges nicht mehr gebraucht wurden und als unnütze Esser galten, wurden sie auf „Transport“ nach Osten geschickt. Auch in Nordrhein / Westfalen machten sich Tausende auf den Weg – in kleinen oder größeren Gruppen, bewacht oder unbewacht. Die katastrophale Ernährungslage zwang einzelne Arbeiter:innen zum Betteln und zum Mundraub. Der SS Divisionsgeneral Kammler überzeichnete die Situation und befahl aus niederen rassistischen Motiven die „Dezimierung der Fremdarbeiter“. Eine genaue Zahl gab er nicht an und überließ stattdessen seinen Untergebenen die Umsetzung. Ohne Widerspruch wurde der Befehl umgesetzt. An drei Orten (Suttrop, Eversberg und Warstein) wurden wahllos Menschen für die Ermordung ausgesucht. Ihnen wurde gesagt, dass sie gut bezahlte Arbeit und bessere Unterkunft erwarten würde. Anschließend wurden sie mit LKW’s an entlegene Orte gebracht, erschossen und in Massengräbern verscharrt.
Erst 1957 konnten einige Täter ermittelt werden. Fünf von ihnen kamen vor Gericht. Der Hauptverantwortliche Hans Kammler hatte am Ende des Krieges Selbstmord begangen.
Vor dem Schwurgericht traten über 80 Zeugen auf. Darunter waren selbst schwer belastete Täter, die teilweise nur durch die Zusicherung von „freiem Geleit“ einer Strafe entgingen. Es gab keine Zeugen, die selbst ehemalige Zwangsarbeiter:innen waren.
Die Täter bestätigten teilweise ihre Beteiligung, beriefen sich aber auf den Befehlsnotstand. Einen schriftlichen Befehl gab es nicht. Auch das Gericht bestätigte die Unrechtmäßigkeit der Erschießungen. Trotzdem sprach es äußerst milde Urteile, begründet unter anderem mit dem angeblichen Befehlsnotstand. So wurden bei den meisten Tätern die Morde nur als Beihilfe zum Totschlag bzw. Totschlag eingeordnet. Das Gericht verneinte niedere Beweggründe, wie Grausamkeit (es wurde ein Säugling erschlagen) und Rassismus als politisches Motiv. Auch Heimtücke sah das Gericht nicht vorliegen. Die Vorspiegelung gegenüber den später Ermordeten, dass sie bessere Arbeit und Unterkunft bekämen, wertete das Gericht positiv als Vermeidung von Aufregung und Unruhe. Auch müsse man die damaligen Zeiten mit anderen Maßstäben messen, äußerten die Richter.
Drei Angeklagte wurden mit Verweis auf den „Befehlsnotstand“ freigesprochen. Ein anderer Angeklagte wurde mit dem Verweis auf das „Straffreiheitsgesetz von 1954“ freigesprochen, weil die zu erwartende Strafe unter 3 Jahren gelegen hätte. Lediglich 2 Täter erhielten Haftstrafen.
Der SS-Mann Wetzlig wurde zu 5 Jahren wegen Totschlags verurteilt. Der Täter Klönne wegen Beihilfe zum Totschlag zu 1 ½ Jahren.
In späteren Folgeverfahren fielen die Urteile teilweise härter aus. Wetzig erhielt nun lebenslänglich, kam aber nach 13 ½ Jahren frei. Könne verließ nach 14 Monaten das Gefängnis.
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/zwischen_jerusalem_und_meschede.pdf