16.12.1988 / Schwandorf (Bayern) / Polizei / Justiz
Der stadt- und polizeibekannte 19-jährige Neonazi Josef Saller verübte in der Nacht vom 16. Dezember 1988 einen Brandanschlag auf das sogenannte „Habermeier-Haus“. In dem Wohnhaus lebten überwiegend migrantische Personen. Vorher (gegen Viertel vor elf) klebte er einen Hakenkreuz-Aufkleber an eine Hauswand. Bei dem rassistisch motivierten Brand starben das türkische Ehepaar Fatma Can und Mehmet Can, dessen Sohn Osman Can sowie Jürgen Hübener. 12 weitere Bewohner:innen wurden verletzt.
Entgegen dem in den Ermittlungen dargestellten Bild – und gängigen Narrativ von Sicherheitsbehörden und Medien – des „verwirrten Einzelgängers“, war Saller offenkundig in der lokalen Neonazi-Szene, der mittlerweile verbotenen Nationalistischen Front (NF) aktiv. Der Polizei in Schwandorf war er bereits vor der Tat bekannt.
Im April 1990 startete der Prozess und Saller gab vor Gericht an/zu, er hätte „Türken ärgern wollen“. Die zuständigen juristischen Behörden verurteilten ihn wegen „besonders schwerwiegender Brandstiftung“ (!) zu 12 Jahren Haft. Seine rechte Gesinnung wirkte sich zwar strafverschärfend auf das Urteil aus, allerdings wurde er nicht wegen vorsätzlichen Mordes schuldig gesprochen.
Da Saller nie von seiner rechtsextremen Ideologie abwich, wurde er von der Neonazi-Szene als Märtyrer inszeniert. Es folgten von der „Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene und ihre Angehörigen“ (HNG) Aufrufe zur Unterstützung und Kontaktaufnahme, insbesondere nach der Haftentlassung 2001. Saller soll darauf in der ostdeutschen Neonazi-Szene untergetaucht sein.
Im öffentlichen Erinnerungsdiskurs fand keine Auseinandersetzung mit dem rechtsextremen Hintergrund des Anschlags statt. Besonders auf politischer Ebene wurde versucht, den Mord vergessen zu lassen. Bis auf die damalige Grünen-Stadträtin und Landtagabgeordnete Irene Maria, die sich 1994 für ein Mahnmal der Opfer einsetze. Ihre Versuche wurden 1994, 1998, 1999 und 2001 abgelehnt. 1994 verkündigte der Oberbürgermeister Hans Kraus (CSU), die Toten würden in Erinnerung bleiben, ein Mahnmal bedürfe es dafür nicht. Er äußerte auch die Angst, ein Mahnmal würde als „eine Wallfahrtsstätte für radikale Gruppen“ dienen. Dabei schien er bewusst den ideologischen Charakter der Gruppen nicht benennen zu wollen. Das Stillschweigen über die Tat zeigte sich auch in einem Statement des damaligen bayerischen Innenministers Edmund Stoiber (CSU). Im Zuge der bundesweit ansteigenden Zahl von rassistischen Übergriffen, verkündete Stoiber in einer Pressemitteilung: „Glücklicherweise waren im Freistaat bisher keine Todesopfer zu beklagen“.
Erst 21 Jahre später wurde erstmals eine Gedenkfeier für die Opfer organisiert. 2007 wurde eine kleine Gedenktafel angebracht, die jedoch Unbekannte herunterrissen.
http://schweigendurchbrechen.blogsport.de/2017/12/
https://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextreme-gewalt-dem-hass-auf-der-spur/8160760.html