05.03.1946 / München / Justiz
Befreiungsgesetz
Das Gesetz hieß offiziell: Gesetz Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus. Es galt zunächst nur in der amerikanischen Besatzungszone, wurde aber bald für alle westlichen Besatzungszonen übernommen. Es sollte die bis dahin unübersichtliche und unterschiedliche erfolgreiche Entnazifizierung vorantreiben.
Auf Grund der von allen Deutschen über 18 auszufüllenden Fragebögen wurden die Menschen in 5 Gruppen eingeteilt:
1 Hauptschuldige
2 Belastete
3 Minderbelastete
4 Mitläufer
5 Entlastete
Der öffentliche Kläger sollte mündliche Verhandlungen gegen Hauptschuldige und Belastete führen. Gegen Minderbelastete und Mitläufer:innen sollte schriftlich verhandelt werden. Bei Entlasteten wurde das Verfahren eingestellt. Herzstück der Verfahren waren Spruchkammern, die über die Einstufung und die Sühnemaßnahmen entschieden. Die Beweislast lag bei den Betroffenen. Gegen die Entscheidung der Spruchkammer war eine Berufung zulässig. Die Besatzungsmächte konnten die Einhaltung des Gestzes kontrollieren.
Während der Wirkungszeit des Gesetzes kam es zu zahlreichen Lockerungen und Aufweichungen der Verfahren. Am 1. Oktober 1947 wurde das erste Änderungsgesetz erlassen. Es enthielt Lockerungen des Beschäftigungsverbots und eine Aufweichung der Einteilung in die Gruppen. Das Änderungsgesetz vom 25. März 1948 enthielt nur noch ein Beschäftigungsverbot für die Hauptschuldigen, der Kläger entschied nun ohne Verhandlung in welcher Gruppe die Belasteten eingegliedert wurden. Es wirkte wie eine Amnestie.
Zahlreiche tatsächliche Amnestien, wie die Jugendamnestie oder die Weihnachtsamnestie reduzierte die Anzahl der Personen, die unter das Gesetz fielen erheblich. 1948 stellten die Amerikaner:innen die Überwachung des Gesetzes ein. Obwohl das Befreiungsgesetz formal noch weiter Bestand hatte, verlor es ab 1948 seine Bedeutung völlig und wurde 1949 durch andere Gesetze der Bundesrepublik ersetzt, die eine Renazifizierung zur Folge hatten.
Die erschreckende Wirkungslosigkeit der Gesetzes beschreibt die statistische Auswertung in Bayern:
„Bis zum 31. Dezember 1949 hatte man in Bayern die Fragebögen von 6.780.188 Personen bearbeitet. Davon waren 72% nicht betroffen; betroffen und von den Spruchkammern behandelt waren demnach rund 28%. 99,9% der Fälle waren in erster Instanz erledigt worden; von diesen fielen 28% unter die Jugend- und 52% unter die Weihnachtsamnestie. 290.139 Personen (15,5%) wurden in eine der fünf Kategorien eingereiht. 3,05% von ihnen wurden als entlastet eingestuft, 0,27% waren Hauptschuldige, 3,85% Belastete, 18,31% Minderbelastete und 52% Mitläufer.“
https://de.wikipedia.org/wiki/GesetzzurBefreiungvonNationalsozialismusundMilitarismus