02.10.1990 / Zerbst / Polizei / Justiz
Der Angriff von Nazis auf das besetzte Haus am Stadtrand von Zerbst war von allen Seiten erwartet worden. Die Volkspolizei teilte am 2.10.1990 in der örtlichen Presse mit: „Das Zerbster Volkspolizeikreisamt (VPKA) sieht sich auf Grund seiner zur Verfügung stehenden Kräfte jedoch außerstande, dort einzugreifen.“
Es waren aber zwei Einsatzgruppen der Polizei während des Angriffs anwesend, die jedoch nicht eingriffen. Auch das Krankenhaus war alarmiert.
17 Besetzer:innen verbarrikadierten das Haus und bewaffneten sich mit Molotowcoktails.
200 – 300 Nazis zogen am Abend des 2. Oktober vor das Haus und griffen es mit Steinen, Raketen und Molotow-Cocktails an. Die Besetzer:innen wehrten sich mit den gleichen Waffen.
Es gelang den Nazis, das Haus in Brand zu setzen. Die Besetzer:innen flüchteten auf das Dach. Ein erster Feuerwehrzug wurde nach Angaben eines Zeitzeugen von den Neonazis weggeschickt. Anschließend verteilten die Besetzer:innen auf dem Dach Zigaretten sowie Rasierklingen, um ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen. In letzter Minute rückte die Feuerwehr doch an und breitete ein Sprungpolster aus, das für die Höhe von 18 Metern eigentlich nicht ausgelegt war. Beim Sprung vom brennenden Haus verletzten sich mehrere der Besetzer:innen – einige schwer.
Die Polizei, die ja anwesend war, relativierte die Ereignisse als Auseinandersetzung von Jugendgruppen und gab den Besetzer:innen die Schuld. Die Stadt hätte das Haus viel eher räumen lassen sollen.
Es gab keinerlei rechtliche Konsequenzen. Weder für die Polizei, noch für die Täter:innen. Verfahren wurden eingestellt. Die Haltung der Behörden gegenüber dem Angriff auf die Kötschauer Mühle war von Gleichgültigkeit geprägt.
Für die Betroffenen gehen der Terror und die Angriffe auf sie auch in den nächsten Jahren weiter.
Quelle: https://zweiteroktober90.de/zerbst/
https://www.volksstimme.de/lokal/zerbst/angriff-sturm-auf-die-koetschauer-muehle
Weitere Überfälle und das Verhalten von Polizei und Justiz dazu hier: https://entnazifizierungjetzt.de/02-10-und-03-10-1990-gebiet-der-ehemaligen-ddr-polizei-justiz/