02.08.2018 – 2021 / NSU 2.0 / Morddrohungen aus dem Polizeicomputer
Seit 2018 bekommen Rechtsanwält:innen, Politiker:innen, Journalist:innen und Kulturschaffende Drohmails und Drohfaxe, die zum Teil Informationen enthalten, die nur aus den polizeilichen Datenbanken stammen können. Begonnen hat die Serie mit dem Drohfax an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız. Başay-Yıldız ist vor allem für die Vertretung der Familie Şimşek im NSU-Prozessz bekannt. Sie erhielt jedoch auch Anfeindungen für ihre Bereitschaft, in ausländerrechtlichen Verfahren auch als terroristisch eingestufte Islamisten zu vertreten.
Bei den Ermittlungen kam heraus, das am Tag, als das Drohfax versendet wurde, diese Daten mit den Zugangsdaten einer Frankfurter Polizistin aus dem 1. Frankfurter Polizeirevier abgerufen wurden. Die Auswertung ihres Telefons brachte eine Chatgruppe zu Tage, in denen u.a. Polizist:innen dieses Reviers rassistische und NS-verherrlichende Nachrichten schickten. Erste Ermittlungen ergaben, dass der Polizist Johannes S. die Drohschreiben verschickt haben soll.
https://entnazifizierungjetzt.de/november-2017-2020-kirtorf-polizei/
Nicht nur in Hessen, auch in Berlin und im Hamburg wurden Fälle öffentlich, in denen Polizist innen illegal Daten abgefragt haben, in denen Polizist innen Nazis mit Informationen versorgt haben oder zum Teil selbst in Nazi- und Reichsbürger-Gruppen aktiv waren.
Und obwohl nun schon einige Urheber:innen der Drohschreiben ermittelt wurden, gehen die Bedrohungen weiter. Offenbar gibt es ein Netzwerk von Nazis mit besten Beziehungen in die Sicherheitsbehörden, die untereinander die Informationen austauschen und die NSU 2.0 Drohbriefserie fortsetzen.
Und die Behörden sind bis heute nicht in der Lage hier die Urheber:innen zu ermitteln. Zu Beginn der Serie wurde, wenn überhaupt, nur schleppend ermittelt. Heute, zwei Jahre später, nachdem deutlich wurde, dass es sich hier nicht um Einzeltäter innen handelt, ermitteln immer noch verschiedene Staatsanwaltschaften am selben Komplex – und es passiert auch dementsprechend wenig.
Und vielleicht ist es auch kein Wunder, dass nichts passiert, wenn z.B. im 1. Frankfurter Polizeirevier Beamt:innen sich in einer Nazi-Chatgruppe organisieren, die polizeilichen Datenbanken nutzen und Drohfaxe verschicken, ganz offenbar ohne Angst vor Entdeckung und der Konsequenzen. Hier stinkt doch der ganze Fisch. Wenn eine solche Gruppe in einem Revier aktiv ist und sich so sicher fühlt, dann wissen noch mehr Menschen Bescheid – die Kolleg innen, die Vorgesetzten, die Kontrollorgane: Und es stört offenbar niemand, das im 1. Frankfurter Revier rechtsextreme Polizist:innen ihr Unwesen treiben.
Vielleicht sollte die Polizei in Frankfurt aufgelöst und ganz neu aufgebaut werden, mit demokratisch eingestellten Menschen, die der Sicherheit der in Frankfurt lebenden Menschen verpflichtet fühlen – und nicht dem vergifteten Korpsgeist ihrer Spezialeinheiten.
Oder wie sonst könnte die Polizei das Vertrauen wieder herstellen?
Am 2. August 2018 erhält die Rechtsanwältin Besay-Yildiz das erste Drohfax, dass mit NSU 2.0 unterschrieben wurde. Mit der Kennung einer Beamtin des 1. Frankfurter Polizeireviers wurde Daten von ihr abgefragt.
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/polizei-frankfurt-warum-die-affaere-um-rechtsextreme-chats-den-innenminister-unter-druck-setzt-a-1244681.html
Anfang Januar 2018 erhält Besay-Yildiz ein weiteres Drohfax.
https://taz.de/Neues-Drohfax-gegen-NSU-Opfer-Anwaeltin/!5563080/
Im Juni 2019 wird ein Polizist des 1. Frankfurter Polizeireviers kurzzeitig festgenommen. Er wird verdächtigt die Drohfaxe verschickt zu haben. Er ist Teil der rechten Chatgruppe aus Polizist*innen dieses Reviers. Es ist Johannes S. – inzwischen (2021) glauben die Ermittler:innen nicht mehr daran, dass er der Täter ist..
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-06/seda-basay-yildiz-morddrohungen-polizeibeamter-festnahme
https://taz.de/taz-Recherche-zu-Drohmails/!5709468/
https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-rassismus-nsu-2-0-polizei-1.5226019
Im Februar 2020 erhält die Linken-Fraktionschefin im Hessischen Landtag Janine Wissler zwei Drohmails, die erhebliche Ähnlichkeit zu den „NSU 2.0“ Schreiben aufweisen.
https://www.fr.de/rhein-main/rechtsextremismus-sti84176/hessische-linken-politikerin-janine-wissler-rechtextreme-drohungen-nsu-13821532.html
Am 09.07.2020 wird ein Wiesbadener Polizist vernommen mit dessen Kennung Abfragen zu Janine Wissler von einem Polizeicomputer gemacht wurden. Er bestreitet den Vorwurf und wird deshalb nur als Zeuge vernommen.
https://www.spiegel.de/panorama/janine-wissler-linken-politikerin-erhaelt-morddrohungen-spur-fuehrt-zur-polizei-a-5021cb40-5a2f-4538-a83d-c8e6af17274e
Am 13.07.2020 wird das nächstes Opfer der NSU 2.0 Drohmails bekannt. Es ist die Kabarettistin Idil Baydar. Auch ihre Daten wurden von einem Polizeicomputer abgefragt.
https://www.fr.de/politik/20-spur-fall-baydars-fuehrt-polizei-13831153.html
Juli 2020 weitere Drohmails gehen z.B. an Journalistinnen.
https://www.hessenschau.de/gesellschaft/neue-nsu-20-mail-bedroht-auch-journalistinnen,neue-todesdrohungen-100.html
Im Juli 2020 erfährt die Öffentlichkeit, dass auch die Fraktionsvorsitzende der Berliner Linken Anne Helm und die Bundestagsabgeordnete Martina Renner Drohmails mit NSU 2.0. erhielten
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/07/drohbrief-nsu-2-0-anne-helm-fraktionsvorsitzende-linke-berlin-abgeordnetenhaus.html
Am 27.07.2020 werden ein ehemaliger Polizist und seine Ehefrau kurzzeitig festgenommen, weil sie Drohmails mit NSU 2.0 verschickt haben sollen. Der Polizist ist ein bekannter neurechter Aktivist, hat aber wohl nicht illegale Daten abgefragt. Bei ihm wurden Waffen gefunden.
https://entnazifizierungjetzt.de/24-07-2020-landshut-polizei/
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-2-0-drohmails-was-ueber-den-verdaechtigen-hermann-s-bekannt-ist-a-d4147535-2638-4c3f-baa7-ed80092b488b
https://taz.de/Verdaechtiger-im-Fall-NSU-20/!5707237/
Am 29.07.2020 findet ein Prozess gegen den Verdächtigen André M. statt. Er ist kein Polizist.
https://www.zeit.de/2020/32/rechtsextremismus-morddrohungen-nsu-2-0-polizei-ermittlung/komplettansicht
12.08.2020 Die Staatsanwaltschaft in Berlin stellte die Ermittlungen zu Baydars NSU 2.0 Bedrohungen ein, weil sie nichts von den illegalen Datenabfragen erfuhr.
https://twitter.com/PvBebenburg/status/1293464001695883265/photo/1
13.08.2020 Die Datenschutzbeauftragtre von Berlin beklagt, die hartnäckige Weigerung der Berliner Polizei die unrechtmäßigen Datenabfragen vollständig aufzuklären.
https://taz.de/Rechte-Anschlagsserie-in-Berlin-Neukoelln/!5707258/
Am 26.August 2020 meldet, die Tagesschau, dass es auch in Hamburg illegale Datenabfragen gab. Betroffen die TAZ Kollumnistin Hengameh Yaghoobifarah.
https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/nsu20-drohmails-105.html
Am 06.09.2020 werden 4 weitere Polizist*innen aus Hamburg und Berlin verdächtigt. Sie haben illegal Daten zu den Opfern des NSU 2.0 Skandals abgefragt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-2-0-vier-polizisten-verdaechtig-1.5022521
Eine Recherche zu Antifeminismus der Drohschreiben.
https://www.dokmz.com/2020/07/14/nsu-2-0-frauenfeindliche-motive-in-rechtsradikaler-und-rassistischer-drohserie-treten-immer-starker-hervor-schauhin-terror/
Im November 2020 setzt die Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız eine Belohnung für Hnweise zu NSU 2.0 aus. Sie beklagt, den offensichtlichen Unwillen mit den Ermittlungen voranzukommen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-nsu-2-0-seda-basay-yildiz-1.5122351!amp?__twitter_impression=true
03.12.2020 Janine Wissler, Idil Baydar und Seda Başay-Yıldız erheben schwere Vorwürde gegen Polizei Frankfurt. Sie sprechen von Versagen bei der Aufklärung des NSU 2.0.
03.02.2021 Die Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen hat nach dem Urteil gegen den Lübcke-Mörder ein Drohschreiben bekommen – im Namen des “NSU 2.0”