19.12.1980 / Erlangen / Polizei / Justiz / Verfassungsschutz
Mord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke
Der Rabbiner, Verleger und Antifaschist Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschler wurden am 19. Dezember 1980 in ihrem Haus in Erlangen von dem Neonazi Uwe Behrendt, einem Mitglied der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG), ermordet.
Shlomo Lewin machte mit seinem gesellschaftlichen Engagement auf das Problem des Neonazismus aufmerksam. Damit wurde er für rechtsextreme Gruppen der Region zur Gefahr.
Obwohl die Nazis schon Jahre vor dem Mord gegen Lewin agitierten und ihn bedrohten, obwohl Lewin in Papieren der Wehrsportgruppe Hoffmann immer wieder genannt und markiert wurde und obwohl es am Tatort Hinweise auf eine Verbindung zur Wehrsportgruppe Hoffmann gab, ermittelte die Polizei zuerst 5 Monate im Umfeld des Opfers Lewin.
Von Beginn an gaben sie angebliche Ungereimtheiten seiner Biografie an die Medien weiter.
Die Zeitungen streuten Gerüchte, dass Lewin ein Agent gewesen sei und konstruierten ein Geheimdienstkomplott.
Nachdem dies von der Regierung Israels dementiert wurde, wurden Konflikte innerhalb der jüdischen Gemeinde erfunden. Das führte dazu, dass die Polizei innerhalb der jüdischen Gemeinde ermittelte und z.B. auf der Trauerfeier für Lewin Trauergäste belästigte und verhörte.
Erst im Mai 1981 analysierten die Ermittler die Funde am Tatort und stellten so die Verbindung zur Wehrsportgruppe Hoffmann und dem Täter Behrendt her.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Behrendt Deutschland bereits verlassen und konnte nicht mehr zu Tatmotiven, Mittätern und Opferauswahl befragt werden. Im Ergebnis konnten die Behörden Hoffmann keine Beteiligung an dem Mord nachweisen.
Im November 1984 bewertete Hans-Wolfgang Sternsdorff, Redakteur des ‚Spiegel‘, dies als direkte Folge der Ermittlungsfehler: „Es hat den Anschein, als seien die Ermittler in diesem Mordfall mit Blindheit geschlagen gewesen. Noch über Monate hinweg suchte die Polizei den Lewin-Mörder keineswegs im Spektrum von Rechtsaußen, sondern unter Angehörigen der jüdischen Gemeinde.“
Klar war, dass der Mörder zur WSG gehört hatte, ein enger Mitarbeiter von deren Gründer Karl-Heinz Hoffmann gewesen war und den Mord aus antisemitischem Menschenhass begangen hatte.
Der Chef der Wehrsportgruppe Hoffmann unterstützte noch am Tatabend Behrendt bei der Verwischung und Verschleierung der Tatspuren, organisierte Alibis und die Flucht Behrendts in den Libanon.
Hoffmann behauptete nach seiner Festnahme, dass Behrendt ihm den Doppelmord am Tatabend gestanden habe und diesen aus eigenem Antrieb, allein und ohne seine Kenntnis begangen habe. Als Motiv habe Behrendt genannt: „Ja, Chef, ich hab’s ja auch für Sie getan“, als „Rache“ für das Oktoberfestattentat, weil dieses Hoffmann angelastet worden sei.
Laut eines Abschiedsbriefes beging Behrendt im September 1981 im Libanon Suizid. Erst 1983 erfuhr das LKA Bayern von anderen aus dem Libanon zurückgekehrten WSG-Mitgliedern von seinem Tod. Einer der Rückkehrer bezeugte, Behrendt habe der WSG im Libanon seinen Doppelmord gestanden.
Am 12. September 1984 wurden u.a. Hoffmann vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth angeklagt, zunächst wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Mord. Das Landgericht bewertete Hoffmanns Spurenverwischung und Fluchthilfe nicht als Strafvereitelung, sondern gemäß seiner Eigenaussage als Selbstschutz.
1986 sprach das Gericht Hoffmann von allen den Doppelmord betreffenden Anklagepunkten frei und legte den toten Behrendt als Alleintäter fest.
Bis heute ist die Tat nicht vollständig aufgeklärt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verweigert immer noch die Freigabe von Akten, da die Einsichtnahme in diese Unterlagen „das Wohl der Bundesrepublik Deutschland“ gefährde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Shlomo_Lewin
https://books.google.de/books?id=u0rLDwAAQBAJ&pg=PA73#v=onepage&q&f=false 1, S. 73-81.
https://zweiteroktober90.de/kontext/inikritgedenk-lewin-poeschke/