18.03.2003 / Karlsruhe / Verfassungsschutz
NPD-Funktionäre im Staatsdienst / Wolfgang Frenz und das Scheitern des ersten NPD-Verbotsverfahrens.
Am 18. März 2003 wurde das erste NPD-Verbotsverfahren durch das Bundesverfassungsgericht aus Verfahrensgründen eingestellt. Der Grund für den vorzeitigen Abbruch war das Auffliegen von V-Leuten, die als Auskunftspersonen geladen waren, um die „kämpferisch-aggressive, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Haltung der NPD“ zu belegen. Vertrauenspersonen sind Spitzel des Landesamts (LfV) oder Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Meist kommen sie aus der verdächtigten Szene selbst. Das Verfahren endete in einem Desaster. Genau jene Führungspersonen, die die Verfassungswidrigkeit durch ihre Aussagen belegen sollten, stellten sich als Angestellte des Staats heraus. Etwa 20 Prozent des Beweismaterials kam von Spitzeln.(1) Zentrale Figur des Skandals: Antisemit und V-Mann Wolfgang Frenz.
Der 1936 in Barmen (NRW) geborene Frenz gehörte zum NPD-Kader der ersten Stunde. Als Mitglied der extrem rechten Deutschen Reichspartei (DRP) überführte er deren Kreisverbände in die 1964 aus rechten Splittergruppen gegründete NPD. Bis 1998 saß er im Parteivorstand der NPD. Zwischen 1977 und 1999 war er stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes NRW.
Bereits 1961 hatte seine 36-jährige Zusammenarbeit mit dem LfV NRW begonnen. Mit der Gründung der NPD wurde er, wie er selbst sagte, für den Verfassungsschutz interessanter. Das hätte sich vor allem in einer Lohnerhöhung bemerkbar gemacht.(2) Trotz eines, nach eigenen Aussagen, freundschaftlichen Verhältnisses zu seinem Führungsmann Kunze musste er nach langjähriger Zusammenarbeit 1995 „abgeschaltet“ werden. Der Ausschluss beruhte auf seinen antisemitischen Einstellungen, die er u.a. in der NPD-Landeszeitschrift „Deutsche Zukunft“ veröffentlicht hatte.
Neben einer Abfindung von 10.000 Mark unterzeichnete er eine Erklärung über absolutes Stillschweigen. Als der aus dem Verfassungsdienst suspendierte Frenz 2002 vor das Bundesverfassungsgericht geladen wurde, musste er sich eine Aussageerlaubnis einholen. Eine Information, die bis zum Gericht durchdrang. Das Verfahren drohte zu scheitern. In einem geheimen Treffen forderte das BfV die Länder dazu auf, die Namen ihrer Quellen herauszurücken.(3) Sie weigerten sich. So auch bei einem Erörterungstermin am 8. Oktober 2002, in dem das BVerfG prüfen wollte, wie groß der Einfluss der V-Leute innerhalb der NPD war. Neben Frenz Tätigkeit war auch die seines Parteivorsitzenden Udo Holtmann beim BfV ans Licht gekommen.(4) Dieser hatte vermutlich seit 1978 mit Wissen des damaligen NPD-Vorsitzenden Martin Mußgnug gespitzelt.(5) Auch Frenz hatte bereits 1997 Partei-Chef Udo Voigt bei einem Treffen in Ehringshausen von seiner Nebentätigkeit berichtet.(6)
Wer steuerte hier also wen? Sowie V-Leute den richtigen Namen ihres VP-Führers nicht kennen, kennt die Behörde im besten Fall den Alias-Namen des VP-Führers nicht. Dieser ist verpflichtet, seinen Kontaktmann nicht zu verraten, dessen Berichte er wiederum nur begrenzt prüfen kann.
Laut Dienstvorschrift dürfen V-Leute „weder die Zielsetzung noch die Tätigkeit des Beobachtungsobjekts entscheidend mitbestimmen“. Die Realität sieht anders aus. Sowohl Frenz als auch Holtmann saßen im Landesvorstand der NPD. Nicht selten sind gerade Führungspositionen aufgrund ihres Einflusses für den Verfassungsschutz besonders interessant. Oder sie etablieren und radikalisieren sich im Anstellungszeitraum, um nicht aufzufliegen. Der Ansatz des Verfassungsschutzes, Wissen über Vorgänge zu haben, aber nicht mitzumischen, ist in sich schon ein Widerspruch. Vielmehr wirkt die Aktivität der V-Leute sowohl personell als auch finanziell unterstützend in die rechten Strukturen. In einem Interview sagte Frenz sogar, der Aufbau der NPD in NRW sei ohne den Verfassungsschutz gar nicht möglich gewesen.(7)
In der Zeit des NPD-Verbotsverfahrens ging man von etwa 100 V-Leuten in den Kreisen der NPD aus. Wer wen mit welchen Anweisungen bei der NPD eingeschleust hatte, ist bis heute nicht offengelegt. An der Praxis hat sich wenig geändert.
Verweise:
(1) magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/21303430
(2) www.stern.de/panorama/stern-crime/wie-wolfgang-frenz-die-npd–rettete–bekenntnisse-eines-v-mannes-3442334.html
(3) magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/21303430
(4) www.spiegel.de/spiegel/vorab/a-179286.html
(5) dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/046/1604631.pdf
(6) magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/21303430
(7) www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/v-mann-erzaehlt-wie-das-npd-verbot-an-ihm-scheiterte-id6188223.html
Quellen:
https://www.stern.de/panorama/stern-crime/wie-wolfgang-frenz-die-npd–rettete–bekenntnisse-eines-v-mannes-3442334.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-das-npd-verbotsverfahren-eine-chronologie-1.2886568
http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/21303430
https://netzpolitik.org/2019/das-problem-verfassungsschutz-hat-eine-lange-geschichte/#spendenleiste
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/046/1604631.pdf
https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/v-mann-erzaehlt-wie-das-npd-verbot-an-ihm-scheiterte-id6188223.html 1
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2011-12/v-mann-npd-verbot