11.05.1951 / Stuttgart / Sigmaringen / Justiz 131er
Zum 11.05.1951 wurde das sogenannte „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen“ veröffentlicht. Verklausulierter Zweck des Gesetzes war es, die Rechtsverhältnisse von Beamt:innen und öffentlichen Angestellten zu regeln, die am Tag des Kriegsendes “im öffentlichen Dienste standen” und “aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen” zum 08. Mai 1945 ausgeschieden waren. Ausgeschlossen waren nur „Hauptschuldige/Kriegsverbrecher“ und Belastete („Aktivisten, Militaristen und Nutznießer“). Zentrales Interesse war also die schnellstmöglichen Rückführung von NS-Beamt:innen in die Ämter der jungen Bundesrepublik – sollten sie noch nicht in dienstähnlichen Verhältnissen sein. Und das ohne jegliche Gesinnungs- oder Biographieprüfung. Dem Gesetz war zuvor durch alle Parteien des Bundestages zugstimmt worden.
Vorwiegend regelte das Gesetz die Ansprüche ehemaliger Berufssoldat:innen der Reichswehr und Beamt:innen aus den ehemaligen Ostgebieten („verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes und aufgelöster Stellen“). Polizist:innen werden über dieses Gesetz ebenfalls in hoher Zahl rehabilitiert und in Arbeit gebracht. Beamt:innen die aus zuvor „sauberen“ Ämtern in die Gestapo, Waffen-SS oder Abhördienste wechselten, konnten sich trotz gesetzlichem Auschluss dieser auf ihre früheren Arbeitsverhältnisse berufen und profitierten. Auf diese Weise fand eine Vielzahl ehemaliger Gestapos ihren Weg in die Polizei, hier besonders in Nordrhein-Westfalen. Die Bundesbahn und -Post wurden verpflichtet mit je 20% ihrer Stellen 131er zu besetzen.
Im gleichen Amtsblatt wurde das „Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes“ veröffentlicht, welches sich um die Wiedereingliederung durch den NS entlassener Personen bemühte. Auf diesem Wege wurde ca. 600 verfolge Sozialdemokrat:innen, Kommunist:innen und Jüd:innen in den Beamtenstand zurückgeführt. Das “131er” führte 450.000 Personen mit NS-Vergangenheit zurück in die Ämter.
Die nüchterne Mechanik des Gesetzes repräsentiert die von Hannah Arendt beschriebene Banalität des Bösen, welche dem “neutralen”, ausführenden Beamt:innentum ein (verzögerter,) nahtloser Übergang aus dem Nationalsozialismus in den Staatsdienst der BRD ermöglichte – fast ungeachtet der Art der vorherigen Arbeitsstelle und der Motivation der Beamt:innen. Dies galt solange sie „sich nicht durch besonders intensive Beteiligung an nationalsozialistischen Unrechtshandlungen“ beteiligt waren. Das reinwaschende Argument „der deutsche Beamte habe vor Hitler nicht kapituliert“ (Justizminister Sträter CDU 1949) ist hier genauso wirksam wie der Wille, mit der alliierten Entnazifizierung der deutschen Behörden zu brechen.
https://www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/doc/2004/20042Perels_S_186.pdf
https://www.deutschlandfunk.de/schlussstrich-der-alliierten.871.de.html?dram:article_id=125607
“Das rechte Recht” Mehmet Daimagüler / Ernst von Münchhausen München 2021, S.185ff