11.01.2016 – 2023 / Leipzig / Justiz
Die juristische Aufarbeitung des Naziüberfalls auf Leipzig-Connewitz deckt Pannen, Nachlässigkeit und offensichtliche Naziverstrickungen in der sächsischen Justiz auf.
Am Abend des 11. Januar 2016 hatten sich über 200 Nazis und Hooligans über die sozialen Medien zu einem „Sturm auf Connewitz“ verabredet. Der Mob zog durch den alternativen Stadtteil Leipzigs, zerstörte Geschäfte und attackierte Menschen.
215 Beteiligte wurden von der Polizei gekesselt. In den folgenden Tagen war schnell klar, aus welchem Spektrum die Nazis kamen, wie sie untereinander vernetzt waren und wie sie sich verabreden konnten.
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Die juristische Aufarbeitung dauert bis heute an. Sie ist gekennzeichnet durch sehr milde Strafen, lange Dauer der Verfahren. Die Taten werden notorisch entpolitisiert. Im Gerichtssaal treten die Angeklagten meist selbstsicher auf. Sie wissen, ihnen wird nichts Schlimmes passieren. Auch im Januar 2021 – 5 Jahre nach dem Überfall – sind erst zwei Drittel der Täter verurteilt.
https://kreuzer-leipzig.de/2020/10/17/900e-denkzettel-fuer-angriff-auf-connewitz/
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146779.connewitz-im-schneckentempo-zu-milden-urteilen.html
https://twitter.com/1101Prozess/status/1402166581157826561
12.01.2023 Sieben Jahre nach dem Überfall von Nazis und Skinheads auf den Stadteil Connewitz ist die Bilanz der juristischen Aufarbeitung ernüchternd. Damit ist nicht nur die Dauer der Verfahren gemeint, sondern auch ihr Ablauf. Halbherzige Geständnisse, Verfahrensabsprachen mit milden Strafen und die Drahtzieher des Angriffs wurden nicht ausgemacht. Auf den konzertierten Überfall treffen alle Merkmale einer kriminellen Vereinigung zu. Das wurde aber nie in Betracht gezogen. Viele Akteure des Angriffs sind weiter in der rechten Szene aktiv.
23.05.2023 Auch Gianluca Bruno war am Überfall in Connewitz beteiligt. Er wurde bereits 2021 zu 1 Jahr und 2 Monate auf Bewährung verurteilt. Im Revisionsprozess wurde das urteil im wesentlichen bestätigt: 1 Jahr und 1 Monat auf Bewährung. Gründe sind die “positive Sozialprognose: “Er hat zwei Kinder, ist verheiratet und arbeitet als Elektriker in einem großen, bundesweit aktiven Unternehmen.” und die lange Verfahrensdauer. Brunos einschlägige “Nazigeschichte” spielte keine Rolle. Auch das er im Fretterodeprozess als Nazischläger verurteilt wurde konnte nicht berücksichtigt werden, weil dieses Urteil wegen Revisionsforderungen noch nicht rechtskräftig ist.
https://kreuzer-leipzig.de/2021/04/26/ausgesprochen-unbefriedigend
Zwei der Täter waren / sind Angestellte der sächsischen Justiz
Kersten H. – In Connewitz auf frischer Tat ertappt und zunächst festgesetzt, wurde erst knapp drei Jahre nach dem Überfall suspendiert. Bis dahin tat er Dienst als Beamter im Leipziger und Bautzener Strafvollzug: Selbst das sächsische Justizministerium musste zugeben, dass er dort Kontakt zu Insassen gehabt haben könnte, mit denen er gemeinsam durch Connewitz marodiert war. Kersten H. war zeitweise auf eben jener Station eingesetzt, in der z.B. Phillip W. einsaß – ein Mitglied der rechtsterroristischen Gruppe Freital. Es lässt sich nur mutmaßen, wie intensiv der Austausch zwischen dem Nazi im Dienst der Justiz und seinen inhaftierten Kameraden war.
Nachdem Kersten H. im Januar 2020 nicht zu seiner Verhandlung erschien, wurde Haftbefehl gegen ihn erlassen.
04.02.2022 Kersten H. wird zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er war bisher vom Dienst suspendiert, bekam aber weiterhin ein Gehalt. Jetzt droht ihm die Entlassung. Gegen das Urteil legten er und die Staatsanwaltschaft Berufung ein.
https://www.tagesspiegel.de/politik/neonazi-ueberfall-in-leipzig-beim-sturm-auf-connewitz-war-auch-ein-justizbeamter-beteiligt/24998216.html
https://twitter.com/reneloch/status/1572198163422773249
Brian Engelmann – Der Rechtsreferendar behauptete, nur zufällig in die Gruppe der Randalierer geraten zu sein und keine Verbindung zur rechten Szene zu haben. Dagegen sprachen aber szenetypische Kleidung, Hakenkreuz-Tattoos und Fotos, die ihn mit Mitgliedern der Identitären Bewegung (IB) zeigen. Obwohl er Berufung einlegte, wurde er letztendlich wegen schweren Landfriedensbruchs zu 1,5 Jahren auf Bewährung verurteilt. Im Mai 2020 entscheidet das Oberlandesgericht Dresden, dass Brian Engelmann seinen Referendariatsdienst fortsetzen darf. Im November 2020 fällt Brian Engelmann durch das Staatsexamen.
Im April 2022 sagt er im Prozess gegen Lina E. aus.
04.07.2022 Der Nazi und Schläger Brian Engelmann ist immer noch nicht vom Justizdienst ausgeschlossen. Er absolvierte einen weiteren Teil seines Staatsexamens (aber nicht sehr erfolgreich). Es bleibt zu hoffen, dass er die folgende Prüfung nicht besteht.
https://www.mdr.de/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/urteil-rechtsreferendar-sachsen-100.html
https://www.lto.de/recht/studium-referendariat/s/olg-leipzig-krawalle-neonazis-prozess-referendar-sachsen-darf-bleiben-justiz-landfriedensbruch-rechtskraeftig/
https://twitter.com/WirsindalleLinx/status/1510930528580612102
https://twitter.com/RickyMartin181/status/1543886712941707266